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Stellungnahme zur Grundnovellierung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes NRW
Stellungnahme zur Verbändeanhörung zur Grundnovellierung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes – TIntG
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ARIC-NRW e.V. erkennt positiv an, dass das Land NRW bei der Novellierung des TIntG die Grundsätze seiner Integrationspolitik in einem eigenen Paragrafen ausformuliert und damit transparent macht. Grundsätzlich unterstützen wir, dass das Land NRW der Integrationspolitik v.a. in Bezug auf die Förderung der Infrastruktur einen verbindlichen Rahmen gibt. Gleichzeitig begrüßen wir, dass sich im vorliegenden Entwurf die verstärkten Aktivitäten des Landes im Bereich der Antidiskriminierung niederschlagen. Weiter bewerten wir positiv, dass das Land NRW den Diskriminierungsbegriff nicht nur auf das Merkmal Rassismus bezieht, sondern auch weitere zentrale Dimensionen einbezieht. Grundsätzlich sehen wir im vorliegenden Gesetzentwurf die Bemühung Antidiskriminierung in der Landespolitik zu stärken. Gleichwohl fehlt es am Verständnis Antidiskriminierung als Querschnittsaufgabe zu verankern. Nach unserem Verständnis ist Diskriminierung auf individueller, institutioneller und struktureller Ebene das Haupthindernis für Integration, politische und soziale Teilhabe, Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen und staatlichen (Dienst)Leistungen. In Bezug auf die seit 2010 vorangetriebene sog. Interkulturelle Öffnung schließen wir gewisse Erfolge nicht aus, auch wenn die angestrebte Repräsentanz von sog. "Beschäftigten mit Migrationshintergrund" mit 12,2 % gegenüber dem Gesamtbevölkerungsanteil von 27% (Integrationsmonitoring 2019) der Bundesländer [1] nach wie vor bei weitem nicht erreicht wird.
Problematisch erachten wir die Fokussierung auf den Kulturbegriff zur Überwindung von Teilhabe- und Zugangsbarrieren. Vielmehr trägt dieser dazu bei, kulturelle Differenz als entscheidendes Merkmal bzw. Ursache zu konstituieren, wo eigentlich Rassismus Ursache der Ausgrenzung ist. In unserer Beratung von Rassismus betroffener Menschen ist uns kein Fall dazu bekannt. Durch den Begriff „interkulturelle Öffnung“ [2] wird suggeriert, dass es eine maßgebliche (nationale) Mehrheitskultur gäbe, der wiederum internationale Minderheitskultur(en) gegenüberstünden. Menschen mit internationaler Familiengeschichte, werden so zu Anderen gemacht und als nicht zugehörig zu einer angenommenen Mehrheitsgesellschaft erachtet. Dieses Konzept ist in einer von Migration geprägten Gesellschaft kontraproduktiv. Eine inklusive Verwaltung muss sich vielmehr erlernte und kulturell verankerte rassistische Zuschreibungen und Kategorisierungen bewusst machen und deren Auswirkungen für das eigene institutionelle Handeln sowie gesellschaftlichen Prozesse reflektieren.
Daher erscheint uns die Entwicklung rassismuskritischer differenzsensibler Kompetenzen bei den Beschäftigten des Landes NRW zielführender. Einen lohnenswerten Ansatz aus der Landesverwaltung bietet die LaKI-NRW, die ein Arbeitspapier zum Rassismuskritischen Handeln in der Kommune herausgebracht hat. [3]
ARIC-NRW e.V. ist Gründungsmitglied im Beirat der Stiftung „Leben ohne Rassismus“. Diese hat bereits in ihrer Stellungnahme von 01.10.2011 Anhörung zum TinTG darauf hingewiesen, dass die sog. Antirassismus-Richtlinie (RL 2000/43/EG) der EU ausdrücklich auch den Diskriminierungsschutz im Bildungswesen , in der öffentlichen Verwaltung also auch die Polizei [4] abdeckt. Somit obliegt aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik insbesondere den Bundesländern die Umsetzung der EU-Vorgaben in diesen Bereichen. Der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen ist dieser seit 2003 (Umsetzungsfrist der Richtlinie) bestehenden Verpflichtung bisher weder im Schulgesetz noch im Hochschulrahmengesetz oder im Polizeigesetz gerecht geworden. Somit schlägt ARIC-NRW e.V. die Verabschiedung eines eigenen Landesantidiskriminierungsgesetzes nach Vorbild des Berliner Antidiskriminierungsgesetzes vor. Wir weisen darauf hin, dass die Stiftung „„Leben ohne Rassismus“ t zu den Regelungsbedarfen bereits 2013 das Gutachten "Diskriminierungsschutz in NRW: Rechtliche Rahmenbedingungen und Reformbedarf" von Prof.in Dr.in Susanne Dern und Dr.in Ulrike Spangenberg herausgebracht hat.[5]
Die Umsetzungsanforderungen im Bildungsbereich hat ARIC-NRW e.V. mit verschiedenen Kooperationspartners im Fachgespräch „Diskriminierungsschutz in der Schule“ erörtert.[6]
Schließlich treten wir für eine eigenständig ausformulierte Antidiskriminierungspolitik des Landes Nordrhein-Westfalen ein, die alle merkmalsbezogenen Aktivitäten z.B. für Frauen, LSBTQ*-Menschen oder von Behinderung b
[1] https://mediendienst-integration.de/integration/interkult-oeffnung.html
[2] Ein kritische Würdigung des Begriffs:: https://www.ki-koeln.de/assets/Uploads/Veroeffentlichungen/Studie-Migrations-und-Integrationsarbeit.pdf, S. 52f
[3] https://www.stadt-muenster.de/fileadmin/user_upload/stadt-muenster/v_zuwanderung/pdf/Denkanstoesse_fuer_eine_rassismuskritische_Perspektive_finale_Fassung.pdf .
[4] Hierbei sind die Erkenntnisse des DFG-Projektes „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ der RUB einzubeziehen: https://kviapol.rub.de/index.php
[5] http://www.nrwgegendiskriminierung.de/files/pdf/Gutachten_Diskriminierungsschutz_in_NRW_fin.pdf
[6] https://www.aric-nrw.de/files/aricnrw/docs/pdf/fgschule.pdf