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Kommentar des advd zu Untersuchung zu rassistischer Diskriminierung bei der Wohnungssuche (Spiegel / BR)

Der  Spiegel und der Bayrische Rundfunk haben heute (22.06.2017) die Ergebnisse ihrer gemeinsamen  Untersuchung zu rassistischer Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt vorgestellt. 

Unser Fachverband, der Antidiskriminierungsverband Deutschland äußert sich dazu:

Das zentrale Ergebnis: Schon ein nicht mehrheitsdeutscher Name führt zu deutlichen Diskrimierungen bei der Wohnungssuche. Besonders stark ist der Effekt bei arabischen und türkischen Namen. Der Befund selbst ist nicht neu, aber die Veröffentlichung ist ein wichtiger Anlass, das grundlegende und nicht hinnehmbare Problem erneut zu adressieren und endlich Veränderungen auf den Weg zu bringen. 

Rassistische Diskriminierung ist ein strukturelles Problem. Betroffene müssen durch niedrigschwellige Unterstützungsangebote in ihren Handlungsmöglichkeiten gestärkt werden, der rechtliche Diskriminierungsschutz muss verbessert werden, und die Wohnungswirtschaft muss auf einer strukturellen Ebene Verantwortung übernehmen.

 

———— Kommentar ——————————— 

 

 

Leider schon vergeben? Rassistische Diskriminierung bei der Wohnungssuche ist eine gesellschaftliche Realität. 

Stellungnahme  anlässlich der Studie „Ausländer werden bei der Wohnungssuche diskriminiert“ des Spiegels und des Bayrischen Rundfunks 

 
 
Rassistische Diskriminierung bei der Wohnungssuche
 
Rassistische Diskriminierung beim Zugang zu Wohnraum ist ein strukturelles Problem - das thematisieren betroffene Gruppen, ihre Verbände und Antidiskriminierungsberatungsstellen seit Langem. Der heute erschienene Bericht von Spiegel und Bayrischem Rundfunk belegt dies einmal mehr und bietet so die Chance für eine gesellschaftspolitische Debatte und den politischen Druck, der für eine konkrete Veränderung notwendig ist. (Die ausführliche Darstellung der Ergebnisse und des Vorgehens hier:  http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/diskriminierung-auslaender-werden-bei-der-wohnungssuche-benachteiligt-a-1153297.html  )
 
Das tatsächliche Ausmaß des Problems lässt sich erahnen, wenn man bedenkt, dass es bei diesem Testing „lediglich“ um die weitgehend unverbindliche Bitte um einen Besichtigungstermin ging, nicht um den Abschluss eines Mietvertrages. Zusätzlich repräsentieren die fiktiven Bewerber_innen als junge alleinstehende Akademiker_innen mit einem festen Einkommen und perfekten Sprachkompetenzen nur einen kleinen, für Vermieter_innen hoch attraktiven Teil, möglicher Mieter_innen. 

Die Lebensrealitäten von Migrant_innen und Geflüchteten sind vielfältiger. Besonders Sprachkenntnisse und der Aufenthaltsstatus sind oftmals zusätzliche bedeutsame Gründe für einen diskriminierenden Ausschluss. 
 
Grundsätzlich gilt: Betroffene haben Rechte. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbiete diese Formen rassistischer Diskriminierung. Der Blick in die Praxis allerdings zeigt, dass diese Argumentation zu kurz greift und wir mehr tun müssen, um Betroffene zu unterstützen und das strukturelle Problem zu beseitigen.

In konkreten Fällen ist die  Diskriminierung für Wohnungssuchende häufig schwer greifbar, etwa weil es keine oder eine allgemeine Absage gibt. Zusätzlich kennen viele Betroffene ihre Rechte nicht oder haben nicht die Kraft, Zeit und Ressourcen, sich juristisch oder außergerichtlich zur Wehr zu setzen. Das hat neben anderen Dingen auch mit der Situation der Wohnungssuche selbst zu tun - sie kostet 
Zeit und Nerven und ist mit persönlichen Veränderungen wie einem 
Ortswechsel, Umzug etc. verbunden.
 

Die Studie

In einem gemeinsamen Projekt haben der Spiegel und der Bayrische Rundfunk eine großangelegte Untersuchung zu rassistischer Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt durchgeführt. 
 
In zehn deutschen Städten bewarben sich fiktive Personen, die in wesentlichen Merkmalen wie Alter, Beruf, Familienstand, Deutschkenntnisse sowie Form und Inhalt des Anschreibens vergleichbar sind, auf die gleichen Wohnungen. Der Unterschied, der einen Unterschied macht, war ihr Name. Dieser konnte mehrheitsdeutsch (z.B. Hanna Berg), arabisch (z.B. Ismail Hamed), türkisch, polnisch oder italienisch gelesen werden. 
 
Das Ergebnis: Bereits ein nicht mehrheitsdeutscher Name führt zu einer deutlichen Diskriminierung und senkt erheblich die Wahrscheinlichkeit, zu einem Besichtigungstermin eingeladen zu werden,. Abhängig von der Stadt, der konkret zugeschriebenen Herkunft und des Geschlechts ist die Chance auf eine positive Antwort und die Einladung zu einem Besichtigungstermin um bis zu 40 Prozent geringer. Betroffen sind vor allem Bewerber_innen mit arabischen und türkischen Namen.
 
 
Was ist zu tun?
 
Auf der individuellen Ebene ist die Diskriminierung bei der Wohnungssuche eine Erfahrung der Würdeverletzung und der Ausgrenzung. Sie verweigert gesellschaftliche Teilhabe und bedroht existentielle Grundbedürfnisse. Auf der gesellschaftlichen Ebene handelt es sich um ein strukturelles Problem. Beides muss adressiert werden.
  • Niedrigschwellige und wohnortnahe Unterstützung

Betroffene brauchen einen niedrigschwelligen und wohnortnahen Zugang zu einer qualifizierten Beratung, die sie dabei unterstützt, Diskriminierungserfahrungen zu verarbeiten und Benachteiligungen (etwa durch ein Testing) zu belegen. Gemeinsam mit Betroffene können Berater_innen Handlungsmöglichkeiten entwickeln und die Umsetzung juristischer (Klage) und außergerichtlicher Schritte (zum Beispiel Beschwerdebrief) begleiten.  Aktuell existieren entsprechende Unterstützungsangebote nur in wenigen Regionen und sind oftmals prekär finanziert.

 
  • Verbesserung des rechtlichen Diskriminierungsschutzes
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bedarf einer Novellierung, die vom advd und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen, aber auch von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) und einzelnen Parteien gefordert wird. Die vier wichtigsten Forderungen sind: (1) Verbandsklagerecht, um Betroffene zu entlasten und strukturelle Veränderungen bewirken zu können, (2) eine Verlängerung der Anspruchsfristen von 2 auf mindestens 6 Monate, (3) die Änderung missverständlicher Ausnahmeregelungen und (4) die Verbesserung der Regelung von Entschädigungsansprüchen.

Diese und weitere Themen hat der advd gemeinsam mit 17 anderen Verbänden und Organisationen in Wahlprüfsteinen für die Bundestagswahl 2017 adressiert.

 
  • Strukturbezogene Ansätze
Da es sich bei rassistischer Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem handelt, braucht es auch strukturelle Lösungen. Das bedeutet einerseits: mehr belastbare Daten zum Thema (vor allem durch Testings) und eine systematische Erfassung von Diskriminierungserfahrungen sowie, die öffentliche  Thematisierung des Problems. Für beides steht die Studie exemplarisch. 
Es bedeutet aber auch und vor allem, dass die Wohnungswirtschaft handeln muss. Aktuell steht hier ein Engagement für die Integration besonders von Geflüchteten im Rahmen von Modellprojekten weitestgehend unverbunden neben einer eklatanten Bagatellisierung und „Vereinzelfallung“ des Problems rassistischer Diskriminierung. 
Gefragt sind Konzepte für eine diskriminierungssensible Wohnungsvergabe, die individuelle Vorurteilsstrukturen von Mitarbeitenden aber auch institutionelle Regelungen und Vergabekriterien ebenso beinhalten wie ein effizientes Monitoring und Beschwerdemanagement. Zusätzlich brauchen Vermieter_innen Unterstützung bei Herausforderungen, die mit Migration (z.B. Mehrsprachigkeit) aber auch rassistischen Reaktionen im Wohnumfeld zusammenhängen. 
 
 
Ansprechpartner_innen
 
Der advd, seine Mitgliedsorganisationen sowie kooperierende Beratungsstellen im gesamten Bundesgebiet arbeiten seit Jahren zu den hier benannten Themen. Bitte kontaktieren Sie uns, wenn Sie Fragen haben oder Ansprechpartner_innen generell zum Thema oder konkret zu Ihrer Region suchen.
 
 
Auszug der aktuellen Aktivitäten von Mitgliedsorganisationen des advd im Themenfeld
 

Publikation „Rassismus auf dem Wohnungsmarkt. Diskriminierung erkennen und bekämpfen“, die weit verbreitete Diskriminierungsmuster auf dem Wohnungsmarkt juristisch prüft und bewertet und so Rechts- und Handlungssicherheit bietet, um rassistische Diskriminierungen einordnen und dagegen wirksam vorgehen zu können. Sie richtet sich an Betroffene, Beratungsstellen und explizit auch an Vermieter*innen. Publikation unter: http://kurzelinks.de/deiy

Kontakt: Cristina Martín Asensio, 0331- 58107676, c.martin@opferperspektive.de
 
  • Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg ( www.adnb.de)

Ab Sommer 2017 Arbeit als Koordinations- und Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt in Kooperation mit dem Büro UrbanPlus mit dem Ziel der Vernetzung und Qualifizierung von Akteur_innen  und der Dokumentation von Diskriminierungsfällen.

Kontakt: Céline  Barry, 030 - 613053280341, celine.barry@tbb-berlin.de
 

Projekt zu rassistischer Diskriminierung bei der Wohnungssuche, das unter anderem ein bundeslandbezogenes Testing  zum Zugang zu Wohnraum für Geflüchteten umfasst (in Veröffentlichung).

Kontakt: Sotiria Midelia, 0341 - 2039492, sotiriamidelia@adb-sachsen.de
 
Unterstützung und Begleitung einer Klage wegen rassistischer Diskriminierung bei der Wohnungssuche durch Beratungsprojekt amira. Das Urteil gegen die städtische Wohnungsbaugesellschaft vom März 2017 Az: 811b C 273/1 ist die erste gewonnene Klage nach dem AGG zum Zugang zu Wohnungen und hat bundesweite Signalwirkung. Die Grundlage für die Klage bot ein von dem Sohn der Klägerin durchgeführtes Testing.

Kontakt: Birte Weiß, 0176-72843655, birte.weiss@basisundwoge.de

 
  • Planerladen e.V., Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit im Wohnbereich   (planerladen.de)

Dreisprachige Borschüre „WOHINDO – Wohnen in Dortmund“ für Geflüchtete und Unterstützer_innen zur Wohnungssuche in Dortmund.
Kontakt: Regina Hermanns, 0231-8820700, 
integration@planerladen.de 

 

 

 
Daniel Bartel
advd |  Antidiskriminierungsverband Deutschland
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Geschäftsführung
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Kochstraße 14
04275 Leipzig
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Tel: 0341 / 30 690 787
Fax: 0341/ 30 399 71
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